Viele Klänge und Töne: Für mich - Noch ein Kommentar zur Willibaldswoche 2024

Jetzt bin ich oben angekommen – im dritten Stock der Neumarkter Musikschule. Nach einem anstrengenden Bürotag suche ich mir nun eine Sitzgelegenheit im Gang, um darauf zu warten, dass ich unsere Tochter von der Geigenstunde abholen kann. Es dauert noch ein paar Minuten und ich mache es mir auf einem Stuhl gemütlich. Ich schließe die Augen ein wenig und lausche: Von nebenan klingen die Töne einer Bass-Tuba durch die Tür. Die Geige unserer Tochter hört man sowieso. Und im übernächsten Zimmer wird Klavier geübt. Von einem Stockwerk dringen Akkordeonklänge herauf. Und eine Etage über uns findet gerade Gesangsunterricht statt. Fünf unterschiedliche Melodien von ganz verschiedenen Instrumenten – sie passen nicht zueinander, sind nicht aufeinander abgestimmt. Jeder musiziert an diesem Abend für sich in seinem eigenen Übungsraum. Und dennoch fühle ich mich gerade sehr wohl: Ich kann dabei sehr gut entspannen und lasse mich einmal auf die eine Melodie und dann wieder auf die andere ein. Auch wenn kein gemeinsames Stück geprobt wird, so hat die Musik heute Abend dennoch eine beruhigende Wirkung. Ich bekomme fast ein wenig Gänsehaut dabei. Man könnte noch lange so dasitzen und lauschen.    

Wenn ich mir meine Kirche ansehe, beobachte ich manchmal ganz Ähnliches: Ein vielstimmiger Chor, nicht immer harmonisch, eine gemeinsame Melodie will nicht recht gelingen. Da erlebe ich Bewahrer gegen Erneuerer, Engagierte gegen Träge, Zentrale gegen lokale Akteure vor Ort, Fromme gegen spirituelle Sucher, Theoretiker gegen Praktiker, pfarrliche Grundversorgung gegen themenorientierte Ansätze.

In der Musikschule gibt es viele Melodien nebeneinander, und dennoch haben sie eine wohltuende Wirkung. Ich brauche mich nur darauf einzulassen, mich dafür zu öffnen. Ich konzentriere mich auf das, was gerade dran ist. Ich höre das an, was mir im Moment guttut. Es ist schön, dass es so viele unterschiedliche Instrumente, Klangfarben und Tonfolgen gibt. Und es ist gut, dass es so viele verschiedene Musiker sind, die ihrer Neigung und ihrer Leidenschaft nachgehen. Manchmal treten sie sogar zusammen auf und laden mich zu einem Konzert ein. Dann setzt sich alles wie die Steinchen zu einem bunten Mosaik zusammen.

Auch in unserer Kirche ist es gut, dass es eine Vielfalt an theologischen Positionen und pastoralen Ideen, an spirituellen Ausprägungen und Gottesdienstformen, an Erfahrungen und neuen Ideen gibt. Dafür darf ich dankbar sein. Alles fügt sich zu einem großen Ganzen zusammen, das ich meist nur erahnen kann. Doch ich darf mich daran bedienen und mir das nehmen, was ich für mein Leben brauche. Dazu lädt mich das Motto der diesjährigen Willibaldswoche in Eichstätt ein: „Öffne dich!“

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg