Wenn Blätter fallen: Ein Impuls für den Alltag

Herbst – Zeit der intensiven Farben, des goldenen Lichts. Herbst – aber auch welkende Blumen, matschige Blätter am Boden, kahle Bäume, dunkle, nebelverhangene Landschaft. Und doch: beim aufmerksamen Hinschauen zeigt mir die Natur noch etwas anderes: Da tragen die Zweige an Sträuchern und Bäumen bereits Zeichen des noch verborgenen neuen Lebens. Die Dichterin Hilde Domin drückt dies in einem kleinen Gedicht so aus:

Es knospt

unter den Blättern

das nennen sie Herbst.

Ich spüre, die Natur lädt mich ein, von ihr zu lernen: Immer wieder sollte ich gerade in den schwierigen und schmerzlichen Situationen des Lebens meinen Blick für die zwar noch verborgenen, aber doch schon sichtbaren neuen Perspektiven schärfen. So verliert die Angst über Verlorenes ihre Macht über mich. Gerade erleben wir z.B. eine ungeahnte Energiekrise. Zeigt sie mir nicht auch, wie viel konzentrierter ich mit weniger leben könnte? Oder der schreckliche Krieg in der Ukraine, der in mir so große Ängste auslöst: Werden damit nicht manche Überzeugungen und Ideale fragwürdig? Was gibt mir Orientierung und Halt? Muss ich persönlich umdenken? Kann ich neue Perspektiven für unsere gesellschaftliche Ausrichtung entdecken? Oder die heraufziehende Klimakrise? Gibt es schon sichtbare Hoffnungszeichen, die ich durch mein Verhalten verstärken kann?

Im Johannes-Evangelium ist uns überliefert, dass auch Jesus ein Bild aus der Natur verwendet, um darauf hinzuweisen, dass Neues nur dann wird, wenn Bisheriges sich wandelt: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht (Joh 12, 24).

Erholsame Spaziergänge in der herbstlichen Natur mögen Sie anregen, in dieser unruhigen Zeit sich nicht vom Erleben des Verlusts beherrschen zu lassen, sondern den Blick zu gewinnen für Hoffnungszeichen, die Ihnen Freude am Leben schenken mögen.

Magdalena Bogner, Theologin, Neumarkt i.d.OPf.