Sterne und andere Lichter suchen: Ein Impuls für den Alltag

„Kannst du bitte mitgehen?“ – fragt mich meine Tochter, wenn sie in der dunklen Jahreszeit durch das Haus gehen muss und etwas holen soll. In den meisten von uns – nicht nur bei den Kindern – löst Dunkelheit Unbehagen aus. Manche meiden nächtliche Spaziergänge. Und wie oft haben wir schon gehört: „Sei daheim, bevor es dunkel wird!“ Obwohl täglich die Nacht über uns hereinbricht, ist uns dieser Zustand nicht ganz geheuer.

Dass man bei Dunkelheit nicht gleich alles auf den ersten Blick erkennen kann –darin sah der weise und fromme Nikodemus eine Chance, als er nachts zu Jesus schlich, um ihn besser kennenzulernen (vgl. Joh 3,1—21). Er war fasziniert von dem Mann aus Nazaret, von dem, was er sagte und tat. Doch Nikodemus traut sich wohl nicht, sich ihm anzuschließen und wollte lieber unerkannt bleiben.

Für viele jüdische Rabbiner ist die Nacht übrigens auch die Zeit für die Auseinandersetzing mit der Tora, also mit den Weisungen Gottes. Die Dunkelheit bietet uns Menschen schließlich die Chance, von der Unverständnis zur geistigen Erkenntnis zu gelangen. Nikodemus wird später als Anhänger, als Freund Jesus wieder im Johannesvangelium auftauchen. Ob das nächtliche Gespräch mit Jesus die Wende brachte?

Dunkelheit muss also nicht automatisch eine Zeit der Ungewissheit, der Angst und der eigenen Beschränktheit sein, sondern kann uns auch zu neuen Erfahrungen und Erkenntnissen führen. Sie kann sogar unseren Blick auf das Wesentliche schärfen. Vielleicht gilt dies ja nicht nur für die Stunden der Nacht, sondern auch für so manche dunkle Phase meines Lebens. Vielleicht sind dort ja ebenso  leuchtende Sterne und Lichter aus der Ferne zu erkennen.

Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg