Neues, blühendes Leben sichtbar machen: Ein Impuls zur Karwoche
Brennende Wohnhäuser in Charkiv, ein zerstörtes Kinderkrankenhaus in Mariupol, Leichen von unschuldigen Bewohnern der Stadt Butscha – wie sich die Bilder dieses grausamen Kriege in der Ukraine schon in unser Gedächtnis eingegraben haben. Wir fragen uns, warum die Menschheit aus den fürchterlichen und hasserfüllten Kriegen der Vergangenheit nichts gelernt hat und warum Menschen einander so viel Leid zufügen können. Gerade wir religiösen Menschen möchten wissen, was wir für einen Gott haben, der eine solche Gewalt überhaupt zulässt.
Viele von Vertreibung, Zerstörung und Tod betroffene Ukrainer wird es wohl kaum beruhigen, wenn Theologen von der Gott gewollten Freiheit des Menschen, sich für das Böse zu entscheiden, sprechen. Wie kann nur so viel Brutalität in Gottes guter Schöpfung möglich sein? Und können die Solidarität, die derzeit Millionen von Menschen dem ukrainischen Volk entgegenbringen, und die große Unterstützung für die Opfer des Krieges das zerstörte Vertrauen, das Zweifeln und Verzweifeln der Betroffenen und die Zukunftslosigkeit so vieler Männer, Frauen und Kinder aufwiegen?
Wenn wir Christen die Kar- und Ostertage begehen, feiern wir „Pascha“, also das „Vorüberschreiten“ oder dem Durchgang vom Tod zum Leben, von der Sklaverei in Ägypten zur Freiheit des Volkes Gottes, von der grausamen und erniedrigenden Kreuzigung Jesu bis zur Auferstehung am dritten Tag. Offensichtlich haben Gläubige schon immer die Erfahrung gemacht, dass das Leid zum Leben dazugehört und dass es eine Stufe auf dem Weg zu meinem Heil und zu meiner ganz persönlichen Vollendung ist.
Können wir Christen dabei nichts anderes tun, als auf das Jenseits zu vertrösten, wie es uns Karl Marx vorwarf? Natürlich können wir den Konflikt aus der ferne nicht lösen, den Krieg nicht beenden. Aber wir können großherzig helfen, zuhören und teilen, unsere Häuser und Kirchen öffnen. Wir können unseren Energiekonsum überdenken und über den Rohstoffimport aus Russland nachdenken. Wir können zeigen, dass uns der Krieg und das Leid der Menschen nicht kalt lassen und dass in gelebter Solidarität und in unserem Mitgefühl auch etwas von neuem Leben und wirklichem Heil, wie es uns das Osterfest verheißt, spürbar werden kann.
Und wir können als Christinnen und Christen dafür sorgen, dass sich das Übel von Alleinherrschaft, Machtkonzentration, Zentralismus, Meinungsmanipulation, polemischer Stimmungsmache und blindem Gehorsam nicht durchsetzen kann. Wir können uns für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Demokratie engagieren. Wir können lernen, Vielfalt als Chance und Einladung zu verstehen. Und wir können als Kirchen dialogbereit und weltoffen, zuhörend und wertschätzend, einladend und beteiligend zu den Menschen von hier und heute und mit ihnen unterwegs sein. Wir Kirchen dürfen uns als pilgerndes Volk „von der Sklaverei in Ägypten hin zur Freiheit“ verstehen und über die österlichen Tage hinaus immer wieder den Durchgang zu neuem, blühenden und zukunftsweisenden Leben sichtbar machen. Zur Hoffnung und Zuversicht von uns allen.
Dekanatsreferent Christian Schrödl, Neumarkt/Habsberg
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